IALANA Erklärung zu dem US-Militärschlag gegen Syrien vom 7.4.2017
Der Giftgasangriff von Khan Shaykun stellt ein schweres Kriegsverbrechen dar, das strafrechtlich zu ahnden ist - wenn im Ergebnis von Ermittlungen feststeht, wer es begangen hat.
Gegenwärtig ist unklar, wer dafür verantwortlich ist. Keine der Kriegsparteien in Syrien hat sich dazu bekannt. Vor dem Sicherheitsrat legte der High Representative der UN, Kim Won-Soo, am 5.4.17 dar, dass bisher nur sicher sei, dass ein Luftschlag auf bewohntes Gebiet stattgefunden habe, der zum Austritt eines Giftgases geführt habe, aber auf welche Weise, sei bisher unklar („but the means of delivery could not be confirmed“). Nach dem Beitritt Syriens zur Chemiewaffenkonvention und der gemeldeten vollständigen Ablieferung seiner Chemiewaffen-Bestände zur Vernichtung seien noch Verifikationsmaßnahmen im Gange durch die - nach der Chemiewaffenkonvention zuständige - Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons (OPCW). Diese und der vom Sicherheitsrat früher speziell eingesetzte Joint Inspection Mechanism (JIM) seien nach dem Vorfall vom 4.4.2017 schon tätig, sammelten alle verfügbaren Informationen und entsendeten schnellstmöglich ein Team für die Untersuchung vor Ort.
Weshalb die USA, Großbritannien und Frankreich am 5.4.17 zusätzlich auf einer Resolution des Sicherheitsrates für die Untersuchung des Sachverhalts - soweit bekannt allein bei syrischen Militäreinrichtungen - bestanden, bleibt unklar. Das angekündigte Veto Russlands hat jedenfalls die ohnehin stattfindende internationale Untersuchung des Giftgaseinsatzes durch UN-Organe nicht behindert.
Der US-Angriff vom 7.4.17 mit 59 Cruise Missiles auf den syrischen Luftwaffenstützpunkt al-Chairat stellt jedenfalls ebenso einen schweren völkerrechtlichen Verstoß dar - hier gegen das Angriffsverbot der UN-Charta. Da Präsident Trump offensichtlich persönlich diesen Einsatz am 6.4.17 befohlen hat, steht auch der Verantwortliche fest.
Nach Art. 2 Ziff. 4 der UN-Charta „
Die beiden Ausnahmen der UN-Charta (Handeln zur Selbstverteidigung oder auf Grund eines Mandates des Sicherheitsrates zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens) liegen ohne Zweifel nicht vor: Syrien hat die USA weder angegriffen noch stand oder steht dies unmittelbar bevor (selbst wenn sich in der Zukunft ergeben sollte, dass der Giftgasangriff von der syrischen Luftwaffe begangen worden sein sollte). Objektivierte Anhaltspunkte dafür, dass von Syrien zukünftig Giftgas eingesetzt werden könnte, gibt es nicht. Auch ein Handeln auf Grund der vieldiskutierten Schutzverantwortung oder „Responsibility to Protect“ kann völkerrechtsgemäß nur auf Grund eines Beschlusses des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen erfolgen. In der Sicherheitsrats-Resolution 2118 vom 27.9.2013, die die Vernichtung aller syrischen Chemiewaffen durchsetzen sollte, heißt es u.a. :
1. < Der Sicherheitsrat> „stellt fest, dass der Einsatz chemischer Waffen, gleichviel wo er stattfindet, eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellt;
2. verurteilt mit allem Nachdruck jeden Einsatz chemischer Waffen in der Arabischen Republik Syrien, insbesondere den Angriff vom 21. August 2013, unter Verstoß gegen das Völkerrecht;
…..
21. beschließt außerdem, im Falle der Nichtbefolgung dieser Resolution, einschließlich eines unerlaubten Transfers chemischer Waffen oder jedes Einsatzes chemischer Waffen in der Arabischen Republik Syrien, gleichviel durch wen, Maßnahmen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen zu verhängen;“
Dies bedeutet, dass der Sicherheitsrat für den Fall eines erneuten Giftgaseinsatzes zwar Maßnahmen nach Kapitel VII (bis hin zu einem militärischen Eingreifen) androht, sich aber selbst die Entscheidung darüber vorbehält. Eine derartige Maßnahme wird der Sicherheitsrat aber sicher erst treffen, wenn der Sachverhalt geklärt ist.
Ein Recht zur Vergeltung begangener Kriegsverbrechen mit Militärschlägen im Wege der Selbstermächtigung durch einzelne Staaten kennt das Völkerrecht aus guten Gründen nicht.
Die Bundesregierung hat bisher lediglich eine vorsichtige Distanz zu den USA in der Beurteilung des Syrienangriffs erkennen lassen. Mit der Formulierung, er sei „nachvollziehbar“, wird er zwar nicht ausdrücklich als völkerrechtskonform gebilligt, aber auch nicht deutlich kritisiert und in Frage gestellt. Erforderlich ist aber eine eindeutige und klare Haltung. Bei einer eindeutigen Verletzung des Gewaltverbots der UN-Charta, die zu einer gefährlichen Eskalation des Syrienkriegs führen kann, ist kein Raum für diplomatisches Wegdrücken.
Wir fordern die Bundesregierung daher dazu auf, den US-amerikanischen Angriff vom 7. April 2017 auf Syrien als völkerrechtswidrige Aggression zu verurteilen und sich hiervon eindeutig zu distanzieren. Auch und gerade unter Freunden sind jetzt offene Worte am Platz, um eine weitere Eskalation des vor allem für die syrische Zivilbevölkerung verheerenden bewaffneten Konflikts zu verhindern.
Otto Jäckel / Gerhard Baisch
07.04.2017.
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