Interview OJ Schattenblick
Interview mit der Zeitung Schattenblick:
Quo vadis NATO? - Zügel für den Kriegseinsatz - Gespräch mit Otto Jäckel
Interview vom 27. April 2013 in Bremen
Otto Jäckel hat Rechtswissenschaften, Germanistik und Politik in Frankfurt, Marburg und Gießen studiert. Seit März 1983 ist er als Rechtsanwalt zugelassen. 1986 wurde er als einer der ersten Rechtsanwälte in Deutschland aufgrund umfangreicher Prozeßerfahrung auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts zum Fachanwalt für Verwaltungsrecht ernannt. 1993 erwarb er die Qualifikation Fachanwalt für Arbeitsrecht. Nach siebenjähriger Mitarbeit in einer Anwaltssozietät ist Jäckel seit 1989 als selbständiger Rechtsanwalt in Wiesbaden tätig. Auf dem Gebiet des Arbeitsrechts berät er vornehmlich Arbeitnehmer und Geschäftsführer, Betriebsräte und Personalräte sowie mittelständische Unternehmen. Hinsichtlich des Verwaltungsrechts berät und vertritt er Bürger, Unternehmen und Körperschaften des öffentlichen Rechts in allen öffentlich-rechtlichen Auseinandersetzungen. Darüber hinaus verfügt er auch über langjährige Erfahrung in Verfahren vor internationalen Gerichten. So vertrat er 1995 erfolgreich einen besonders spektakulären Fall vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.
Otto Jäckel ist Vorsitzender der International Association of Lawyers Against Nuclear Arms Deutschland (IALANA). Er setzt sich für den Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung und gegen die Ausweitung des Überwachungsstaats in dem Bündnis "Freiheit statt Angst" ein. [1] Auf dem Kongreß "Quo vadis NATO? - Herausforderungen für Demokratie und Recht" vom 26. bis 28. April in Bremen, den IALANA unter Mitwirkung zahlreicher anderer Organisationen veranstaltet hat, moderierte Otto Jäckel die Eröffnungsveranstaltung, das erste und zweite Plenum wie auch die Abschlußveranstaltung. Am Rande des Kongresses beantwortete er dem Schattenblick einige Fragen.
Schattenblick: Herr Jäckel, Sie gehören zu den Hauptorganisatoren des Kongresses "Quo vadis NATO? - Herausforderungen für Demokratie und Recht". Ich möchte Sie gerne nach der Geschichte dieser Tagung und der zu ihrer Vorbereitung notwendigen Arbeit fragen.
Otto Jäckel: Das ist natürlich eine Konferenz, die monatelanger Vorbereitung bedurft hat. Wir haben uns das Ziel gesetzt, die aktuelle Außen- und Sicherheitspolitik der NATO zu analysieren und dabei neue Tendenzen und Entwicklungen - gerade auch was die Anwendung neuartiger Waffen wie Drohnen oder Cyber War anbelangt - zu untersuchen, um daraus Schlüsse zu ziehen, wie das aus völkerrechtlicher und verfassungsrechtlicher Sicht zu bewerten ist. Uns ist bewußt, daß diese Diskussion im politischen Raum kaum geführt wird. Wir wissen das von langjährigen Bundestagsabgeordneten, die uns berichten, daß es in ihren wehrpolitischen Arbeitskreisen immer nur um Fragen der politischen Opportunität geht, wenn der Einsatz der Bundeswehr zur Debatte steht. Eine völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Diskussion, welche Grenzen eigentlich das Recht für Militäreinsätze setzt, wird hingegen kaum intensiv geführt. Deswegen konnten wir auch ein so großes Interesse an diesem Kongreß feststellen: Wir erhielten über 300 Anmeldungen von Kongreßteilnehmern aus ganz Deutschland, die nun den Weg nach Bremen gefunden haben, und das übertrifft unsere Erwartungen und Vorstellungen. Wir haben zuletzt an der Humboldt-Universität in Berlin eine vergleichbare Veranstaltung durchgeführt und freuen uns, daß wir diese Tradition hier fortsetzen können. Uns kam es vor allen Dingen darauf an, eine kontroverse Debatte in Gang zu setzen - völkerrechtlich, verfassungsrechtlich, aber auch fächerübergreifend mit Historikern und Politologen -, also eine lebendige Diskussion zu organisieren, die ansonsten in der Gesellschaft kaum geführt wird.
Wir stellen fest, daß der Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière dazu aufgerufen hat, in der Gesellschaft die Bedeutung der Bundeswehr und deren Auslandseinsätze stärker zum Gegenstand öffentlicher Diskussionen zu machen. Genau das tun wir und haben dazu natürlich auch Vertreter des Bundesministeriums der Verteidigung eingeladen. Leider ist kein Vertreter des Ministeriums erschienen, was wir sehr bedauern, da wir gerne auch aus diesem Kreis Teilnehmer begrüßt hätten. Deswegen freuen wir uns besonders, daß wir mit Professor Daniel-Erasmus Khan von der Bundeswehrhochschule München jemanden gefunden haben, der aus dem akademischen Bereich der Bundeswehr zu uns gestoßen ist. Er vertritt natürlich nicht das Verteidigungsministerium, sondern nur seine eigenen wissenschaftlichen Auffassungen, aber uns kommt es eben darauf an, auf diesem Kongreß eine möglichst breit gefächerte Diskussion über aktuelle Themen zu organisieren, und ich glaube, das uns das ganz gut gelungen ist.
Schattenblick: Demnach befördert es die Diskussion, sich nicht nur in einem kleinen Kreis mehr oder minder übereinstimmender Auffassungen zu bewegen, sondern ein breites Spektrum an Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu präsentieren?
Otto Jäckel: Gerade das ist unsere Absicht, und die große Zahl der Teilnehmer wie auch ihre rege Beteiligung an der Diskussion sprechen für diesen Ansatz. Wir haben mit Bedacht jedes Thema mit mehreren Referenten besetzt, um zu jedem Komplex auch gleich die Kontroversen herauszuarbeiten. Wie sich bereits herausgestellt hat, brauchten die Moderatoren gar nicht so viel dazu beitragen, da die Kontroversen etwa zu der Frage 'humanitäre Intervention' beziehungsweise 'responsibility to protect' gestern bei der Auftaktveranstaltung schon in der Diskussion von selbst zum Tragen kamen. Die Punkte, die dabei problematisch sind, wurden sehr klar herausgearbeitet, wie sich auch deutlich abzeichnete, an welchen Fragen im Verlauf des Kongresses weiter diskutiert und gearbeitet werden muß.
Das gleiche gilt für die Einschätzung der Beeinflussung der innenpolitischen Verhältnisse durch verdeckte Einheiten der NATO in den verschiedenen Ländern, über die wir heute Morgen gesprochen haben. Auch dieses Thema ist ja von mehreren Referenten aus unterschiedlicher Sicht bearbeitet worden, und es war bislang ja ein Tabuthema, das meines Wissens noch nie auf einer wissenschaftlichen Veranstaltung in Deutschland auf die Tagesordnung gekommen ist. Insofern, glaube ich, haben wir da einen Durchbruch geschafft, indem wir dieses brisante Thema zur Debatte gestellt haben, und der große Zuspruch zeigt, daß weithin Interesse daran besteht, diese Diskussion auch öffentlich weiter zu führen.
Schattenblick: Wie könnte Ihres Erachtens ein Übertrag des auf diesem Kongreß erreichten Diskussionsstands einerseits innerhalb der Wissenschaften und zum anderen auch in die Gesellschaft stattfinden?
Otto Jäckel: Wir haben natürlich von Anfang an geplant, alle Beiträge, die hier gehalten werden, zu veröffentlichen. Das wird, glaube ich, ein sehr spannender Kongreßbericht werden. Wir haben ja nach unserer letzten Veranstaltung an der Berliner Humboldt-Universität bereits einen solchen Band herausgegeben, der eine Fundgrube und ein Steinbruch für jeden ist, der sich für Themen der Außen- und Sicherheitspolitik interessiert und sich die Frage stellt, welche völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Grenzen, Gebote und Leitplanken es eigentlich gibt, die die Außen- und Sicherheitspolitik bestimmen. Diese Diskussion wird in der Politik aus unserer Sicht zu sehr vernachlässigt. Die politisch Verantwortlichen leisten ja ihren Amtseid darauf, die Verfassung einzuhalten, wozu auch das Völkerrecht gehört. Darauf richten wir den Fokus und möchten die Diskussion vertiefen und natürlich auch die Verpflichtungen herausarbeiten und klarstellen, die sich daraus für die Politik ergeben. Durch die Veröffentlichung der Beiträge, die hier gehalten werden, wollen wir natürlich auch in die Gesellschaft hineinwirken und die öffentliche Diskussion, zu der auch Herr de Maizière aufgerufen hat, als Zivilgesellschaft befördern und befeuern.
Schattenblick: Herr Jäckel, vielen Dank für dieses Gespräch.
http://www.schattenblick.de/infopool/politik/report/prin0167.html
27.04.2013.
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