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Edward J. Snowden erhält Whistlenlower-Preis 2013

Von Martin Müller-Mertens
Auf Asyl in Deutschland kann Edward Snowden wohl nicht hoffen. Doch eine Auszeichnung ist dem 30jährigen früheren US-Geheimdienstmitarbeiter zumindest sicher. Snowden erhält den deutschen Whistleblower-Preis 2013, teilte die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VGW), die Anwälte zur Verhinderung von Atomwaffen (IALANA) und Transparency Deutschland am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Berlin mit. Zugleich griffen die drei Organisationen die Bundesregierung scharf an, warfen ihr indirekt Mitverantwortung in der Spitzelaffäre vor und forderten einen effektiven Schutz für Whistleblower. Geahnt hat man es wohl schon länger. Doch seit den Enthüllungen Edward Snowdens liegen die Fakten der Totalüberwachung durch die US-Spitzel nun zweifelsfrei auf der Hand. Ein "politisches Erdbeben" habe der frühere Systemadministrator eines NSA-Auftragnehmers ausgelöst, sagt der Vorsitzende der deutschen Sektion von IALANA, Otto Jäckel. "Daten werden 100-Millionen-fach abgefischt und sogar Inhalte verwertet". Auch für Jäckel hat der Skandal eine politische Dimension. Snowden werde nach einem Gesetz von 1917 wegen Spionage für den Feind angeklagt. "Wer soll denn der Feind sein? Vielleicht die internationale Öffentlichkeit?", fragt er. Für Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland, sind die Spitzelaffäre von NSA und GHCQ, aber auch die Hinnahme der Überwachungen durch die Bundesregierung ein regelrechter Angriff auf die politischen Grundwerte. 1990 hätte man gedacht, daß sich die werteorientierte Demokratie durchgesetzt habe. Mittlerweile habe sie "den Eindruck, daß den Menschen nicht mehr vermittelbar ist, welche Werte das westliche System schützt". Tatsächlich agieren Nachrichtendienste zunehmend wie in einem totalitären Überwachungsstaat. "Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung haben die unter einem Schleier operierenden Geheimdienste das Briefgeheimnis geschleift und der Industriespionage Tür und Tor geöffnet", beklagt VGW-Vertreter Hartmut Jäckel, der nach eigenen Angaben in früheren Jahren selbst Opfer von Geheimdienstüberwachung war. Besonders verärgert zeigten sich die Organisationen über die Tatenlosigkeit und das duckmäuserhafte Auftreten der Bundesregierung in der Affäre. Immerhin wurde gegen eine ganze Reihe deutscher Strafgesetze verstoßen, so Jäckel. Kein Land stand derart unter Totalbeschattung, wie Deutschland. "Was macht der Generalbundesanwalt? Wo ist er tätig? Was macht die Bundesjustizministerin? Was macht die Bundeskanzlerin", so Jäckel. Müller zeigte sich erschrocken über weiter geltende Verträge aus der Zeit von vor 1990 über die Zusammenarbeit amerikanischer und deutscher Dienste bei der Bespitzelung der Bevölkerung. Sie habe nicht gedacht, "daß es nach der Einheit, wo wir glaubten, wir sind ein souveräner Staat geworden, noch Verträge gibt, die die Souveränität einschränken und die Rechte der Bürger mißachten". Die drei Organisationen forderten als ersten Schritt einen gesetzlichen Whistleblowerschutz in Deutschland. Dabei habe sie eine klare Definition: Whistleblower seien Menschen mit Zivilcourage, ohne finanzielle Forderungen. "Er tritt ein für den Schutz der Machtlosen, dessen Rechte nicht ausreichend geschützt sind. Das ist der Unterschied zum Denunzianten." Bislang sind Menschen, die interne Mißstände öffentlich machen, nicht nur ohne Schutz. Regelmäßig sehen etwa Arbeitsgerichte die Loyalität zum Arbeitgeber verletzt. Doch in der Bundespolitik scheint das Interesse an einer Änderung gleich Null. Als die jüngste Initiative im Plenum innerhalb weniger Minuten abgelehnt wurde, so Müller, war gerade ein Dutzend Abgeordnete anwesend. Das Thema stand auf der Tagesordnung, als "nebenan in der parlamentarischen Gesellschaft die Sektkorken knallten" und der Beginn der Sommerpause gefeiert wurde. Zumindest die Verleihung des Whistleblower-Preises soll Snowden nun etwas Schutz bieten - hoffen jedenfalls die drei Organisationen. Immerhin steigt damit die öffentliche Wahrnehmung des Falles. Der russische Kapitän Alexander Nikitin, der die verwahrlosten Atommüll-Plätze des Landes bekannt machte und 1999 erster Träger des Preises war, wurde auch wegen der Auszeichnung letztlich freigesprochen, ist sich zumindest Grassl sicher. Damit dürfte er die eigene Bedeutung allerdings sehr optimistisch einschätzen. Unklar blieb, ob die Organisationen überhaupt Kontakt zu Snowden haben und der Ausgezeichnete über die Vergabe des Preises zumindest informiert wurde. Grassl machte daraus auch auf mehrfache Nachfrage von Journalisten ein absolutes Geheimnis, aus welchem Grund auch immer. Völlig offen - im Grund wohl ausgeschlossen - ist, ob Snowden den Preis am 30. August in Berlin persönlich entgegennehmen kann. Doch "es wäre nicht das erste mal, das der Preisträger nicht erscheinen kann", so Grassl. Bisherige Träger des deutschen Whistleblower-Preises, der alle zwei Jahre vergeben wird, sind u.a. Rainer Moormann, der das Risikopotential von Kugelhaufen-Reaktoren öffentlich machte; Daniel Ellsberg, den die "Pentagon-Papers" über den Vietnam-Krieg an die Presse weiterleitete; und ein anonymer Whistleblower über gezielte Tötungen im Irak - mittlerweile bekannte sich Bradley Manning zu der Veröffentlichung. Berliner Umschau Meldung vom 24.07.2013

Link zum Artikel bei der Berliner Umschau

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24.07.2013.


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