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Ich rechne nicht mit einer Rehabilitierung

Interview: Gitta Düperthal
Die vier Steuerfahnder aus Hessen waren kerngesund, als sie für verrückt erklärt und geschasst wurden. Gespräch mit Otto Jäckel* Otto Jäckel ist Fachanwalt für Arbeits- und Verwaltungsrecht in Wiesbaden und Berlin und vertritt die ehemaligen Steuerfahnder Frank Wehrheim und Rudolf Schmenger, letzteren auch im Untersuchungsausschuss zur Steuerfahnder-Affäre im hessischen Landtag.

Nachdem vier hessische Steuerfahnder bei Großbanken und Vermögenden Prüfungen vornehmen wollten, wurden sie für verrückt erklärt und in den Ruhestand versetzt. Jetzt hat die Münchner Universitätsklinik eine neue Expertise zu ihrem geistigen Zustand vorgelegt – wie ist das Ergebnis? Meinen Mandanten Rudolf Schmenger hatte die Universität Frankfurt bereits 2009 ausführlich begutachtet. Die Steuerberaterkammer hatte das zur Auflage gemacht, weil er als angeblich dienstunfähig entlassen war – sie wollte wissen, ob er als Steuerberater tätig sein kann. Das Münchner Universitätsklinikum hat jetzt bestätigt: Alle vier leiden weder heute unter einer psychischen Erkrankung, noch haben sie darunter gelitten, als sie in den Ruhestand versetzt wurden. Die letzte Expertise hatte das Landgericht Frankfurt in einem Schadensersatzverfahren in Auftrag gegeben. Die Betroffenen hatten es gegen den Gutachter angestrengt, der sie seinerzeit falsch beurteilt hatte. Warum soll er das gemacht haben, was steckt dahinter?

Es geht letztlich um das Bankenteam der Frankfurter Steuerfahndung, das aus über 70 Beamten bestand. Seine Aufgabe war es, Steuerflüchtlinge zu verfolgen und die Rolle der Banken dabei zu beleuchten. Es war 2001 angewiesen worden, bei Einzeltransfers unter 300000 und bei Sammeltransfers unter 500000 DM pro Jahr keinen Anfangsverdacht auf Steuerhinterziehung zu anzunehmen. Daraufhin gab es so etwas wie Aufruhr: 46 Fahnder unterschrieben einen Protestbrief an den damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), schickten ihn aus Angst aber nicht ab. Auf Umwegen gelangte er dann doch in die Presse. Darin hieß es: Was man von uns verlangt, ist Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zur Strafvereitlung. Es gab auch persönliche Beschwerdebriefe an Koch und den damaligen Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) von meinem Mandanten Schmenger. Für Widerspenstige wie ihn, die es nicht auf sich beruhen lassen wollten, dass in Hessen Steuerflüchtlinge geschützt werden, hatte das die geschilderten Folgen. Schmenger und sein Kollege Frank Wehrheim haben schließlich Strafantrag gegen Weimar gestellt, weil sein Ministerium behauptete, sie hätten unter Verfolgungswahn gelitten. Was ist daraus geworden? Das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. Wir haben dann gegen das Land Hessen sowie das Handelsblatt zivilrechtlich Schadensersatz und die Rücknahme dieser Behauptung eingeklagt. Das Blatt hatte die Nachricht 2009 publiziert – just zu dem Zeitpunkt, als Schmenger und Wehrheim der Whistleblower-Preis für Zivilcourage verliehen wurde. Beide Verfahren sind noch anhängig, beim Landgericht Wiesbaden und beim Oberlandesgericht Frankfurt. Ein Untersuchungsausschuss des Landtages befasst sich mit dem Skandal – warum werfen Sie ihm mangelnde Unabhängigkeit vor? Dessen Vorsitzender Leif Blum (FDP) war in einer Anwaltskanzlei tätig, die sich auf die Vertretung von Steuerflüchtlingen spezialisiert hatte. Nachdem gegen ihn selbst in diesem Zusammenhang ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war, musste er den Vorsitz im Untersuchungsausschuss niederlegen. Die aus seinen Befragungen gewonnenen Erkenntnisse hat der Ausschuss gleichwohl weiter verwertet.

Was stimmt denn nicht im Lande Hessen? Erst vor wenigen Tagen hat sich der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, bei Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) über die Razzia von 500 Polizisten in seinem Geldinstitut beschwert. Meine politische Phantasie reicht so weit, mir vorstellen zu können, dass es 2001 ähnlich gewesen sein könnte: Als die Frankfurter Steuerfahnder, darunter meine Mandanten, in der Commerzbank standen und ermitteln wollten. Im Untersuchungsausschuss wurde Koch nie dazu befragt. Man braucht sich über die Ergebnisse des Ausschusses nicht zu wundern: Dort behalten stets die Regierungsfraktionen recht, weil sie die Mehrheit haben. Mit einer Rehabilitierung der Betroffenen durch die Landesregierung rechne ich nicht. Dazu fehlt es bei Bouffier sowohl am politischen Willen als auch an Mut für eine Selbstkorrektur.

* Otto Jäckel ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht und Verwaltungsrecht in Wiesbaden und Vorsitzender der deutschen Sektion der International Association of Lawyers Against Nuclear Arms ( IALANA ) sowie Treasurer im Board of Directors der Internationalen Dachorganisation der IALANA.

Link zum Artikel bei der "Jungen Welt"

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22.12.2012.


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